03. November 2017

Gespräch mit Anne-Marie Keding:

Justiz überlastet

  • Gespräch mit Justizministerin Keding
    Foto: dbb sachsen-anhalt
    Das Gespräch mit Wolfgang Ladebeck führte Ministerin Anne-Marie Keding an der Seite von Staatssekretär Hubert Böning (nicht auf dem Foto) und den Leitern der Referate 204 Marc D. Linau (l.) und 101 Michael Schröder (r.).

Wenn Richter und Staatsanwälte fehlen, merkt das der Bürger: Er muss länger auf sein Verfahren warten. In der Justiz arbeiten aber auch Beamtinnen und Beamte im einfachen und mittleren Justizdienst. Sie stehen zwar nicht in der Öffentlichkeit, sind aber für das reibungslose Funktionieren der Justiz unerlässlich.

„Die Deutsche Justiz-Gewerkschaft im Beamtenbund schlägt schon seit langem Alarm. Der jahrelange Personalabbau und die damit verbundene Arbeitsverdichtung haben die Bediensteten an ihre Belastungsgrenze gebracht. In den Justizvollzugsanstalten sieht es laut dem Bund der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands nicht besser aus: ständige Personalknappheit und astronomisch hohe Krankenstände. Dazu kommt noch die unbefriedigende Beförderungspraxis“, sagte dbb Landeschef Wolfgang Ladebeck in einem Gespräch mit Justizministerin Anne-Marie Keding am 30. Oktober 2017.

„Die hohe Arbeitsbelastung gerade im sogenannten mittleren und einfachen Dienst ist mir bekannt. Deshalb genießt die Ausbildung mit anschließender Übernahme derzeit oberste Priorität, wobei die Ausbildungszahlen in der jüngeren Vergangenheit hier bereits teils deutlich erhöht worden sind. Wir müssen aber auch immer berücksichtigen, dass die Ausbildung der Anwärterinnen und Anwärter teilweise in Länderverbünden erfolgt und somit Ausbildungskapazitäten in ‚Wunschhöhe‘ nicht immer realisierbar sind. Wir wollen noch in diesem Jahr 4 Wachtmeister und 25 Beamte im mittleren Dienst übernehmen, die ihre Ausbildung gerade beendet haben bzw. kurzfristig beenden werden“, machte Anne-Marie Keding deutlich. In einem weiteren Schritt müssten die notwendigen Personalmaßnahmen im Sinne von Neueinstellungen im richterlichen und staatsanwaltlichen Dienst veranlasst werden, um weiterhin eine bedarfsgerechte Ausstattung zu gewährleisten. Dabei werde darauf zu achten sein, dass eine Altersstruktur entsteht, welche verhindert, dass – wie derzeit – in einem äußerst kurzen Zeitraum ein Großteil der Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte altersbedingt ausscheidet.

Auf Nachfrage informierte die Ministerin den dbb Landesvorsitzenden über den Sachstand hinsichtlich der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs. Ab dem 01.01.2018 werden die Gerichte im Land Sachsen-Anhalt entsprechend den gesetzlichen Rahmenbedingungen für „professionelle Einreicher“ elektronisch erreichbar sein. Die Justiz veranlasst bis dahin alles Erforderliche, um eine reibungslose Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs zu ermöglichen. „Gleichwohl wird es hier zu Beginn zu einem sogenannten Medienbruch kommen. Das bedeutet, dass die elektronischen Eingänge zunächst farbig ausgedruckt werden müssen, da die Voraussetzungen für eine vollelektronische Bearbeitung bundesweit noch nicht geschaffen sind. Die hierfür erforderliche elektronische Akte soll bis 2026 eingeführt werden“, sagte die Ministerin.

Zum aktuellen Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Dienstrechts äußerte der dbb Landesvorsitzende Bedenken gegen die beabsichtigte Anhebung der besonderen Altersgrenze für Justizvollzugsbeamte, die parallel zu der Altersgrenze für Beamte des Polizeivollzugsdienstes je nach Befähigung um insgesamt bis zu zwei Jahren angehoben werden soll.

Hierzu wies Anne-Marie Keding darauf hin, dass alle Beamtinnen und Beamten im Justizvollzugsdienst, für die diese Neuregelung gelten soll, unter die Altersgrenze von 61 Jahren fallen und deshalb „keine Justizvollzugsbeamtin und kein Justizvollzugsbeamter durch die Anhebung der besonderen Altersgrenze künftig zwei Jahre länger arbeiten muss.“

Der dbb kritisiert zudem die Streichung des Ausgleichs bei besonderen Altersgrenzen. Die Landesregierung begründet die Streichung damit, dass die einmalige Leistung nicht geeignet sei, mögliche Verluste im Lebenserwerbseinkommen auszugleichen. Durchgesetzt hat sich der dbb allerdings mit seiner Forderung nach einer Übergangsregelung für vorhandene Beamte bis Ende 2021.